AW: Pädagogen...unfähig?
Liebe Lisi,
:mrgreen:
ich fühle mich natürlich auch angesprochen, weil mein Mann Lehrer ist, und zwar einer, der sicherlich den richtigen Beruf gewählt hat. Außerdem habe ich selber in grauer Vorzeit 8 Semester Lehramt studiert, bevor ich auf BWL umgesattelt habe.
Zu den Aussagen, die du zitierst: das klingt natürlich haarsträubend. Ich könnte dir allerdings auch aus anderen Berufsständen solche Geschichten erzählen (z.B. die mich in der Firma seit einem halben Jahr BERATENDE Unternehmensberaterin: Sagen Sie, was steht eigentlich genau in diesem Handelsgesetzbuch?). Andererseits kann ich dir auch aus meinem Bekanntenkreis etliche Beispiele für Lehrer nennen, die nicht nur engagiert sind, sondern so arbeitsfroh, dass darunter ihre Gesundheit und ihre Familie leidet.
Kollege M z.B., Latein+Französisch, organisiert den Schüleraustausch mit Rom und Annecy
Kollege H, Mathe+Physik, entwarf eine Mathe-Olympiade, in der zwei zehnte Klassen 1000 von ihm gestellte Aufgaben lösen mussten. Die Teams traten gegeneinander auf Zeit an. Ein Highlight für Teamwork und Klassengeist.
Kollege F, Sport+Deutsch, der seine Freizeit im Schulfernsehsender verbringt und mit Schülern Beiträge dreht, die schon mehrfach mit dem Bayerischen Medienpreis geehrt wurden.
Kollege S, Deutsch+Französisch, macht das Schultheater...
Was ich beobachte ist, dass besonders die engagierten und guten Lehrer darunter leiden, dass sie keinerlei Anerkennung bekommen. Der Berufsstand hat einen sehr schlechten Ruf, der Lehrer ist grundsätzlich an den schlechten Leistungen der Schüler Schuld.
Man hört einfach zu oft, dass Lehrer vormittags Recht und nachmittags frei, daneben 12 Wochen Urlaub im Jahr haben. Außerdem verdienen sie natürlich viel zu gut, zahlen keine Sozialversicherungsbeiträge, weniger Autoversicherung und sind unkündbar.
Die Vorurteile Lehrern gegenüber sind grenzenlos und was viel schlimmer ist: jeder darf sie äußern, denn jedermann ist "Experte" in Sachen Schule und kann eigene Erfahrungen beisteuern.
Wir haben uns angewöhnt, auf solche unweigerlich kommenden Allgemeinplätze zu antworten mit: warum bist DU eigentlich kein Lehrer geworden, wenn das alles so toll ist?
So toll ist es nämlich nicht als Lehrer. Die wenige Arbeit ist ein Gerücht, die Bezahlung in der Wirtschaft wesentlich höher und die Schüler machen einem das Leben wirklich manchmal zur Hölle. Anerkennung für die Arbeit gibt es keine, dafür massenweise Kritik.
aber wenn unter den 20 lehrern ein "schlechter" (ich nenn das jetzt mal so) ist es schon einer zuviel.
Da stimme ich dir schon zu, aber leider wird das nunmal so sein. Die Menschen sind nicht perfekt, es gibt immer bessere und schlechtere und aufgrund des schlechten Images des Berufs möchten nicht so viele Leute Lehrer werden wie gebraucht werden und lieber ein schlechterer Lehrer als gar keiner...
und was mich noch ein bissl zum denken anregt ist dass gerade jetzt wos so viele wissenschaftl. neue (pädagog.) erkenntnise gibt (vor 20 jahren wusste noch niemand dass es sowas wie "soft skills" gibt), trotzdem nix am auswahlkriterium/aufnahmekriterium geändert wird.
bei uns in ö, ist die einzige voraussetzung dass man matura (abi) haben muss und das wars!
Mit Auswahl ist hier in Deutschland zur Zeit nicht viel. Es herrscht akuter Lehrermangel. Eine Vorauswahl halte ich auch nicht für den richtigen Weg. Eine solche Auswahl ist nie unfehlbar und man filtert vielleicht Leute raus, die super geeignet wären. Aber meiner Meinung nach müssten die Lehramtsstudenten als Aufnahmevoraussetzung erst mal ein halbes Jahr Praktikum in der Schule machen. Die meisten wissen nämlich gar nicht, was da auf sie zu kommt.
Als Mutter bin ich auch schon gespannt, was da auf mich zu kommt. Sicherlich wird Johanna auch den einen oder anderen Lehrer haben, bei dem sich mir die Haare sträuben. Aber ich habe ja dann auch die Möglichkeit, aktiv zu werden. Es gibt die Sprechstunde, den Elternbeirat, es gibt einen Disziplinarausschuss, wenn es wirklich ganz schlimm kommt. Von sexuellen Übergriffen habe ich hier bisher zum Glück noch nichts mitbekommen.
Ich habe auch schon überlegt, ob wir Johanna im Montessori-Kindergarten anmelden. Aber der ist 15km weg, und der "normale" Kindergarten direkt vor der Haustür. Mir ist wichtiger, dass sie Spielkameraden direkt vor Ort hat und keine "Fremde" in ihrem eigenen Wohngebiet ist.
Rita