Also der Red. Oder besser, unser Fred, Freddy, Freddl - weil sich das besser rufen lässt.
Der wohnt jetzt gute vier Wochen bei mir, und eine Sache hat sich voll bestätigt: ein Schisser ist er.
Ein ängstlicher, panikschiebender Schisser, der jeden Tag all seinen Mut zusammennimmt und auf die Menschen zugeht, freundlich an ihnen riecht, freundlich an seinen Artgenossen riecht, bislang nur zweimal laut Wuff gemacht hat und das auch nur, weil Kinder auf der Straße wohl zu laut gequiekt haben.
Ein panikschiebender Schisser, der sich stundenlang bekraulen lässt und die Herzen meiner Kollegen im Schleichgang erobert hat (eigentlich müsste ich schon sagen, im Sturm und auf den ersten Blick, aber dieser Hund stürmt ja nun nicht auf Menschen zu...). Der Standardspruch im Büro ist seit zwei Wochen: "So, nun muss ich aber wieder arbeiten - ja, ist ja gut, einmal noch den Kopf kraulen..."
Ein panikschiebender Schisser, der mich echt vor Probleme stellt mit seiner Panik. Was nämlich bei allem Mut, den er sich nimmt, täglich schlimmer wurde, war der Spaziergang zur Arbeit. Der geht, und geht wirklich nur, an einer Hauptstrasse entlang. Und Freddl hat echte Panik vor Lastern, Wahnsinnspanik vor Lastern mit zischenden Bremsen, und laute Autos sind einfach auch großer Mist. Inzwischen trägt er wieder das Sicherheitsgeschirr, denn mir ist das Risiko zu groß, dass er sich doch aus dem anderen herauswindet, wenn wieder ein Laster an uns vorbeirauscht. Und ja, wir gehen schon auf der linken Seite, nutzen jede Parallelstraße - aber die Reststrecke ist leider unvermeidbar.
So gesehen ist es schon gut, dass jetzt wieder zwei Wochen L. anstehen und ich jeden Morgen zur Arbeit fahren muss.
Bis auf die Tatsache, dass der panikschiebende Schisser halt auch Angst vor dem Auto hat. Tobi hat ja immer entspannt im Fußraum vorne gesessen, aber das geht mit Freddl nicht - der käme mir auf den Schoß gekrochen. Ergo kommt er in den Kofferraum - und ich suche nach einem Gepäckgitter, damit mir nicht bei Vollbremsungen fliegende Hunde in den Nacken klatschen.
Trotzdem muss er ja auch gesichert werden, und die ersten zwei Versuche, ihn an den Ladesicherungsringen im Kofferraum mit der Leine festzumachen, waren totale Fehlschläge. Er hat sich so oft im Kreis gedreht, dass sich die Leine beim ersten Mal um sein Bein gewickelt hat - was natürlich keine positive Erfahrung war.
Beim zweiten Mal hat er es geschafft, sich selbst zu Boden zu zwingen - auch nicht toll, wenn man nicht mehr hochkommt, weil man sich so verhangen hat. Und entsprechend wird das P, wenn er ins Auto muss, immer größer.
Inzwischen hab ich aus Gurten etwas gebastelt, was ihn von oben hinten hält, so kann er sich nicht mit den Beinen verwickeln, und ein Metallwirbel soll morgen auch weitere Verdrehungen verhindern. Außerdem spiele ich unfair - Fressen gibt es nur noch im Auto.
Und trotzdem. Mit all der Panik und dem Schiß gibt sich der Hund doch so große Mühe, mitzuspielen, das zu tun, was von ihm erwartet wird. Als er sich mit dem Bein so verwickelt hat und ich ihn gepackt und gedreht habe, um ihn zu lösen - ein kurzer Griff mit seinen Zähnen nach meiner Hand, so schnell wieder weg, dass ich es erst im Nachhinein wahrgenommen habe. Kein Knurren, nichts. Und keine Spuren an meiner Hand zu sehen.
Ich mag ihn.
Salat