"Kriegs-Spiele"? Verboten!

AW: "Kriegs-Spiele"? Verboten!

Ich weiß nicht, wie es bei Euch war, aber meine Kindheit war immer aufgeteilt in zwei Welten. In Deutschland bin ich zur Schule gegangen, habe lesen, schreiben und rechnen gelernt, bin ich im Sportverein gewesen; kurz: ich habe Bildung, Disziplin und Ordnung gelernt.

Und dann waren da die Sommer in Jugoslawien. Wir sind nach dem Frühstück abgehauen und waren den ganzen Tag unterwegs. Erst sind wir mit den "Großen" losgezogen, später haben wir die "Kleinen" mitgenommen. Wir haben Fische und Frösche gefangen, Mais und Sonnenblumenköpfe geklaut, am Fluß Feuer gemacht und alles geröstet. Wir sind auf Pferden und Eseln geritten. Wir sind in Bäumen und alten Ruinen rumgeklettert, die in Deutschland mit einem hohen Zaun und vielen Schildern abgesperrt gewesen wären, haben ein Floß gebaut und damit Schiffbruch erlitten, wir haben Fallen gebaut für Kaninchen u. ä. und unseren Fang stolz zuhause in der Küche abgegeben. Später wurden wir auch zur Arbeit herangezogen, Hühner rupfen, Bäume fällen, Holzhacken, Stall reparieren, Pflaumen sammeln (und später dann Slivo brennen) oder mithilfen, die Tiere zu hüten oder wieder ins Tal zu treiben. Da gab es auch öfter mal Hauereien oder Indianerspiele (es war eh nicht weit von dort, wo die Winnetou-Filme gedreht wurden und sah genauso aus). Da hat sich eigentlich niemand einen Dreck darum geschert, was wir den ganzen Tag machen. Da waren die Großen eben verantwortlich, auch wenn sie selbst noch Kinder waren. Da habe ich Verantwortung, Vertrauen und Überleben in der Wildnis gelernt.

Was ich in Deutschland gelernt habe, das hilft mir im Beruf. Aber für's Leben habe ich in Jugoslawien gelernt.

Langer Rede kurzer Sinn: Solange sie sich und andere nicht wirklich in Gefahr bringen, sollten Kinder spielen dürfen, was sie wollen. Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Später im Leben kommen schon noch genug Verbote.
 
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Ihr überrascht mich immer wieder! :bravo: Ich hatte schon fest damit gerechnet, für den Beitrag hier wieder Haue zu kassieren :sm:, aber anscheinend konnte ich dieses Mal doch zum Ausdruck bringen, was ich meinte, das freut mich natürlich. :)

Einschränkend muß ich natürlich einräumen: Ich weiß nicht, ob ich hier soviel Vertrauen hätte, meinen Kleinen einfach so einer "Bande" mitzugeben.
 
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Macak bei uns war ähnlich... nur in Deutschland... aber das ist schon sooooo lang her, damals wuchsen die Eltern und Kinder nicht mit täglichen Katastrophenmeldungen wo was passiert ist auf. Wir stromerten überall rum und kamen höchstens mal zwischendrin heim um ein Butterbrot zu fassen. Lief uns auch niemand mit ner Stulle hinterher, wer nicht kam wartete halt bis zum Abendbrot.


Aber wir haben auch in der Regel keine Erwachsenen gebraucht, die uns ihre Regeln beibrachten, wir haben das weitestgehend selber geregelt. Und die Regeln waren einfach: schaff Dir eine Bande an und leg dich mit Stärkeren nur an, wenn Du Deine Freunde hinter Dir weißt. Und lern schnell rennen, wenns anders läuft. :hahaha:
Ich war eine der Kleinsten und hab mir nix gefallen lassen. Hab jedem der mir was wollte ans Bein getreten, in den Arm gebissen, einmal sogar einen frechen kleinen Bruder meiner Freundin mitsamt Kettcar auf den Kopf gestellt. Und damit war das Thema gegessen. Der war nie mehr frech zu mir ;-).
Und klar hatten wir Stöcker und klar haben wir Räuber und Gendarm gespielt, und ganz doll miteinander gekämpft. Waren schließlich zwei Banden :mrgreen: ...

und solang es keine blitzblauen Beulen und Augen gab, hielten sich die Eltern raus. Wären im Leben nicht auf die Idee gekommen unser kindliches Bandentum als Kriegsspiel zu bezeichnen. Und das obwohl wir uns um unser Hauptquartier kloppten - einen alten Bunker aus dem zweiten Weltkrieg mitten im Wald.

Gabs kein pädagogisches Gespräch (von einem Ohr rein und zum anderen raus) sondern mal ganz einfach zwei Tage Hausarrest. Hat man sich auch besser gemerkt. Ebenso wie die Schmerzen der Beule die man sich durch seine Kämpfchen eingeholt hat. Und hat dann halt auch draus gelernt, dass man´s ausbaden muß wenn man sich überschätzt und mit Stärkeren anlelgt und dass man lernen muß sich durchzusetzen - entweder mit großer Klappe oder großen Freunden. Neudeutsch Peergroup genannt. Was ich persönlich allemal für besser halt als wenn bei jedem kleinen Zoff gleich ein Elternteil herbeigerannt kommt. Da lernt man fürs Leben nur draus, dass mans nicht allein schafft, was nicht unbedingt gut fürs Selbstbewußtsein ist.

Vielleicht mach ich jetzt auch den Fehler und packe diesen Erlebnisbericht aus den späten 60´er/ frühen 70´ern nicht in die rechten pädagogischen Floskeln und ernt somit auch keine echte Begeisterung aber ich kann nur sagen - ich fand das toll, meine Kindheit. Zumindest diesen Teil.

Und retrospektiv betrachtet auch als durchaus effektive Lehre für mein weiteres Leben :)
 
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Ja, alles völlig richtig, was Du schreibst, kann ich nur bestätigen. Es gab auch mal so einen flotten Text, wo all sowas beschrieben war, der dann damit endete: wenn Du Dich an all das noch erinnern kannst, bist Du wahrscheinlich ein Kind der 60er oder 70er. Da wurden auch noch andere Dinge angesprochen. (Telefone mit Schnur, 3 TV-Programme, nix Sicherheitsgurt im Auto, geschweige denn Auto-Kindersitz, nix Spielekonsole usw...) Muß ich mal suchen.

Heute ist es ja teilweise schon so extrem, daß nicht nur die Eltern wegen jedem Mist angescheißert kommen, es wird für jeden Firlefanz ein Anwalt bemüht oder wenigstens damit gedroht.
 
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yepp, ich kenne den Text :jaja:

sicherlich ist manches an dem Text und in der Retrospektive verherrlicht, diese Zeit war auch die Zeit der Schlüsselkinder und die Zeit in der die Kinder (also wir...) noch viel mehr unter Auswüchsen schwarzer Pädagogik litten, indem Erwachsene viel mehr ihre Allmachtsphantasien an Kindern ausließen, ich könnt noch drei Seiten aufzählen.
Aber deshalb alles schlechtzureden und sich nicht einfach mal dran zuerinnern, dass es für viele damals einfach doch auch oft wesentlich einfacher war "Kind" zu sein und "Kind" sein zu dürfen, das darf man nicht vergessen.
 
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Jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile. Und es geht ja nicht allen gleich. Wenn ich hier manchmal lese, über was für Sachen sich Eltern Gedanken machen können und was den Kindern alles in den Allerwertesten geschoben wird, kann ich manchmal nur staunen, andererseits gibt es aber auch soviele ungeliebte, vernachlässigte und einfach arme Kinder...

Aber was soll's, eine andere Jugend, als die, die ich hatte, werde ich nicht mehr bekommen. Und ich bin mit meiner auch sehr zufrieden. Ich sehe es immer an den Kindern meiner Partnerin: zwei toughe junge Frauen, tolle Schulnoten, Cracks am PC, können japanisch und chinesisch und haben die halbe Welt bereist, aber ohne Dosenöffner eine Konserve öffnen, Feuer machen oder auch nur einfache Dinge selbst kochen, ohne Tüte, da hört's auf (aber Mutter hat sie auch verwöhnt). Und in 10 Jahren werden die vielleicht ihren Kindern "von früher" erzählen und in 20 Jahren mein Kleiner... Muß wohl so sein.
 
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Hallo :huhu:,

ich wieder :hahaha:

Ich war (wen wunderts) in keiner solchen Bande und kenne max. Jungen fangen die Mädchen und umgekehrt aus dem Pausenhof als erstes Berührungsprogramm der anderen Art mit dem anderen Geschlecht:hahaha:

In bin direkt in München aufgewachsen, wir sind halt ins Freibad oder in den Hinterhöfen über Dächern und Teppichstangen rumgekraxelt (da wurden wir aber auch nicht gejagt). Oder so Einfahrten mit Rollschuhen runtergefahren.
Dann habe ich noch einen großteil meiner Kindheit im Tennisverein verbracht, da war gleich ein Park und ein großer Sportplatz.

LG
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