AW: Die Kita als Bildungseinrichtung
In der Realität habe ich die KiTa oft als nicht- kinderfreundlich bzw. als zuwenig bedürfnisorientiert erlebt.
Ich gehe ja von außen in die KiTa rein, gehöre nicht zum Personal dort und sehe so ganz vieles.
Wenn ich mir mal die Bedürfnisse anschaue, die so eine normale, altersgemischte Kindergruppe mitbringt, dann ist es fast unmöglich, dem einzelnen Kind auch nur annähernd gerecht zu werden. Eines ist hb, eines extrem schüchtern, eines kann noch kein deutsch sprechen, eines traut sich es nicht. Eins hat eine Sprachentwicklungsverzögerung und wird nicht verstanden, obwohl es gerne redet, eines ist überschwänglich und lebhaft, ein anderes laut, ein weiteres noch nicht trocken. Eins ist allergisch auf Eier, das andere auf Weizen. Eins läuft gerne weg, eins braucht enge Begleitung durch den Morgen, traut sich alleine nicht so recht ran.
Und in all dem stehen die Erzieherinnen in ihrem Alltag und den Anforderungen von außen, wie z.B. Frühenglisch, Waldwochen, Haus der kleinen Forscher, Exkursionen, Backen, Kochen, Knete selber machen, Geschenke basteln, Großelternnachmittag anbieten und all dem, was wir eben all so kennen.
Wenn es personalintern rund läuft, dann ist die Grundstimmung gut, dann werden die Kinder immerhin gesehen, so, wie sie sind, auch ohne immer darauf eingehen zu können. Dann können Kinder von allen Vorteilen profitieren, die hier schon genannt wurden.
Wenn es, was leider sehr häufig der Fall ist, personalintern schlecht läuft, dann gibt es untereinander Streit und Zickereien, auch oft Kosten der Kinder. Dann werden Kinder gezwungen, Dinge zu machen, die ihnen zutiefst widerstreben, werden Kinder so lange der Situation angepasst, bis es einigermaßen funktioniert, weil das Konzept oft, nicht immer, eine Anpassung der Situation ans Kind nicht zulässt. Personalmangel, räumlich unmöglich, kein Verständnis. Gründe gibt es viele.
Ich arbeite seit knapp 20 Jahren (8O
) in Kindergärten und sehe den Bildungsauftrag mittlerweile doch sehr differenziert.
Denn: Wer kann das leisten? Förderung für all die unterschiedlichen Standpunkte, an denen die Kinder abgeholt werden wollen?
Wenn ein Dreijähriger die Farben mangels Sprache nicht mal benennen kann während ein anderer Dreijähriger sie bereits schreiben will, dann wird es mit dem vorherrschenden Personalschlüssel in Deutschlands Kitas quasi unmöglich.
Fakt ist: Viele Kinder laufen einfach mit. Andere tun nicht mal das. Individuelle Förderung ist schwer.
Da aber Großfamilien als Erfahrungsfeld im Sozialverhalten mittlerweile selten geworden sind, ist der Kindergarten oft die einzige Möglichkeit, überhaupt in Kontakt mit mehr als 4 Personen auf einmal zu kommen, zumal auf Kinderspielplätzen, jedenfalls hier, in aller Regel auch nicht gerade der Bär steppt, weil jeder seinen Spielplatz im eigenen Garten pflegt und dahin lädt man nicht mehr als 2 Kinder gleichzeitig ein.
Es kommt halt auch ganz darauf an, was man selber als 'Bildungsauftrag' versteht.
MMn gibt es DEN Bildungsauftrag eben nicht, es gibt nur jedes einzelne Kind, da, wo es steht.
Es gibt Kinder, die kennen keine gemeinsamen Mahlzeiten, kein Vorlesen. Um nur mal willkürlich zwei zu nennen. Für die ist es toll, das im Kindergarten zu erleben.
Bildungsauftrag an der Stelle erfüllt.
Zwischen diesen Kindern und denen, die gerne chinesisch lernen möchten (das habe ich jetzt nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern erlebt) gibt es eine Riesenscherenspanne, die nicht zu füllen ist.
Ich persönlich würde den Kindergarten lieber als Spielplatz sehen. Wo Kinder die angebotenen Möglichkeiten so nutzen können, wie sie es mögen. Zwangfrei. Mit Basteln oder ohne, mit Malen oder ohne, mit Experimentieren oder ohne.
Aber im Hinblick auf Schule ist gerne schon gefordert, dass jedes Kind alles gut kann: Malen, Turnen, Schneiden, Sozialverhalten. Schade für die Individualität.
Ehrlich, ich würde das System gerne revolutionieren. :mrgreen: