Mamafee hat gesagt.:
Huhu Jaqueline,
gibt es denn keine Möglichkeit ADS früher zu erkennen?
Ich war neulich mal in einem ADS-Forum, und hab ein wenig gestöbert, und da ist mir nämlich aufgefallen, dass fast alle Kinder schon die halbe Schulzeit und einen langen Leidensweg hinter sich hatten, bevor die richtige Diagnose kam.
Das müsste man doch irgendwie verhindern können, auch im Sinne des Kindes.
Liebe Grüße
Hallo Mamafee,
doch, man kann es früher erkennen!
Aber die meisten Eltern scheuen sich vor einem frühzeitigen Gang zum Kinderpsychologen, oder werden vom Kinderarzt beruhigt: "Es ist halt ein lebhaftes Kind!"
Ich habe festgestellt, daß mit Sebastian etwas "nicht stimmt", als er ca. eineienhalb Jahre alt war.
Wir sind in dieses kleine Nest hier gezogen und ich hatte die Chance, in eine private Krabbelgruppe zu kommen.
Alle Kinder waren gleich alt, aber egal, welche "Phase" die Kinder gerade durchliefen, Sebastian schien immer ca. ein halbes Jahr "hinterherzuhinken".
Als ich meinem Ex-Mann dies sagte und den Vorschlag machte, dies mal genauer untersuchen zu lassen, wurde ich von ihm unter Druck gesetzt: "Wenn ich erfahre, daß du mit ihm zu diesem Arzt gehst, ist die Hölle los!!! Ich habe kein
beklopptes Kind!!!" (Ganz schön krank, nicht wahr!)
Und unser Kinderarzt hat das alles auch nur abgewiegelt: "Er ist lebhaft, ist doch toll! Und es gibt halt Kinder, die langsamer sind."
Sebastian kann ich so beschreiben:
Er "hinkte" anderen Kindern in der Entwicklung hinterher.
Er "sprang" ungebremst über Tische und Bänke, nicht in der Lage, auch nur auf ein Wort zu reagieren, daß ich sagte.
Kam mein Mann abends nach Hause, spielte er (zappelnd) vor sich hin und begrüßte ihn nicht. Ging mein Mann auf ihn zu, schrie er und wand sich (weiterspielend) ab... :???:
Als ich mich von meinem Mann trennte, war der Zwerg dreieinhalb.
Er schaute - fast schon anteilnahmslos - zu, wie mein Mann seine Sachen aus der Wohnung ins Auto brachte und als er dann wegfuhr fragte Sebastian: "Ist er jetzt weg?"
ich: "Ja."
Er: "Kommt er wieder?"
ich : "nein!"
Er: "Dann ist ja gut!"... 8O Mir blieb die Spucke weg!
Als meine Eltern mich zwei Tage später besuchen kamen, stand Sebastian auf und ging auf sie zu um sie zu begrüßen. (Das hatte er vorher nie gemacht!!!)
Die langen und zahlreichen Untersuchungen beim Kinderpsychologen ergaben dann folgendes:
Sebastian ist hyperaktiv, hat also AD(H)S.
Er hatte autistische Züge (die er nach und nach seit der Trennung von meinem Mann abgelegt hat) und Wahrnehmungsstörungen.
Dieser "Kombi" hat dazu gefürht, daß Sebastian in der Entwicklung in vielen Bereichen um die 2 Jahre (! 8O ) zurück liegt!
Danach ging die Rennerei los:
drei mal die Woche Terapie für den Zwerg, dreieinhalb Jahre lang.
Ich bekam die Beratungsgespräche, war ich doch selbst am Boden zerschmettert!
Ich hatte eine super Kindergärtnerin, die sich sehr mit Sebastians "Krankheit" auseinandergesetzt hat, sich sogar Lektüre darüber beschafft hat.
Dann kam der Zeitpunkt, an dem der Arzt mir ans Herz legte, ich solle mir mal Gedanken über Ritalin machen.
Ein Jahr lang habe ich mich dagegen gesträubt, aber irgendwann ging gar nichts mehr.
Ich hatte seinerzeit Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe und die eine Dame sagte: "Wenn er nun Diabetis hätte, würde Sie ihm sein Insulin verweigern?"
Ich war geschockt:" :o Selbstverständlich nicht!!!"
Sie sagte daraufhin: "Doch, in gewisser Weise tun Sie das, denn für ein wirklich hyperaktives Kind ist Ritalin sowas wie das Insulin eines Diabetikers!"
Ich habe mich eine Woche später dann bereit erklärt (mit ganz viel Angst im Herzen) es mit Ritalin zu versuchen.
Von da an konnte man zugucken, wie Sebastian Fortschritte machte. Meine bisher vergeblichen "Erziehungsversuche" brachten plötzlich Früchte...
Seinen Schul-(leidens-)weg jetzt hier aufzuschreiben, würde den Rahmen wohl sprengen!
Was ich aber noch sagen möchte:
Er ist vor einem Jahr noch einmal IQ getestet worden. Sein Stand lag bei 84 Punkten.
Das heißt, für eine "normale" Hauptschule beispielsweise müßte er einen IQ von 85 - 100 Punkten haben.
Wir haben überlegt, ob für ihn eine Lernbehindertenschule das Richtige wäre, konnten dies aber komplett ausschließen! (Dafür ist er dann "zu klug")
Sebastian ist 11 Jahre alt, sitzt in der 4. Klasse und muß sich den Lernstoff reinquälen.
Vom Kopf her ist der Entwicklungsrückstand von etwa 2 Jahren noch gar nicht "aufgeholt", d.h., er ist genau betrachtet erst 9 und gehört in die 2. oder 3. Klasse.!
Er hat sich seit den Terapien also zwar weiterentwickelt, hat aber nichts "aufgeholt"...
Nun kämpfen Lehrer, wir und Sebastian darum, daß er die 4. Klasse schafft. Er ist so tapfer!!!
Er kommt keinen Tag in der Woche vor 14.00 Uhr nach Hause und ißt nur eine Kleinigkeit und setzt sich dann an seine Hausaufgaben.
Oft sitzt er bis 18.00 oder 19.00 Uhr daran... :-(
Aber in der Hauptschule, so sagten uns all seine Lehrer, würde es für ihn wieder einfacher werden, da der gesamte Unterrichtsstoff hauptsächlich aus Wiederhohlungen bestünde.
Wir geben die Hoffnung aber nicht auf!!!
Sebastian ist -was Schule angeht- durch die Hölle gegangen!!!
Aber wir kämpfen -mit und für Sebastian- weiter!!!
Liebe Grüße,
Corinna