AW: Ab wann Kinder allein unterwegs
Wie bei so vielen Themen denke ich, daß es ganz sehr auf das einzelne Kind ankommt. Ein Achtjähriges, das träumend durch die Gegend bummelt, wenig von seiner Umgebung mitbekommt, sich bei jeder Gelegenheit erschrickt, vielleicht auch sehr schüchtern ist, sich schlecht orientieren kann, das würde ich nicht unbedingt allein durch die Stadt schicken. Ein aufgewecktes Sechsjähriges, das weiß, wo es sich Hilfe holen kann, das wach und aufmerksam seine Umgebung wahrnimmt (und damit auch Gefahrensituationen schneller wahrnimmt), das sich in der Gegend gut auskennt und gut orientieren kann, dem würde ich mehr zutrauen.
Es ist also sowohl von der Umgebung als auch vom Kind abhängig, wieviel man ihm zutraut.
Saskia ist z.B. sehr selbständig, kennt ihre Wege, weiß, wo es Hilfe geben könnte, sie weiß auch, daß man z.B. bei Leuten, die einen aus dem Auto ansprechen, immer so weglaufen sollte, daß das Auto wenden muß. Eigentlich würde ich ihr viele Wege allein zutrauen. Nur: Sie traut es sich selbst nicht zu. Nachdem bei uns an der Haustür mal eine Scheibe eingeschlagen worden ist, was sie zuerst entdeckt hatte, schwelt da seit ca. 18 Monaten eine Angst, über die sie erst langsam hinweg kommt. Sie geht also allein zur Schule, sie geht allein zur Freundin (einmal über die Fußgängerampel und dann 300 m die Straße runter), sie geht auch allein zum Sport oder fährt mal eine Runde "um den Block" mit dem Fahrrad allein- aber abholen müssen wir sie eigentlich immer, da blockiert sie ihre Angst. Na und, das kommt irgendwann. Vorher ist sie mit ihren guten fünf Jahren schon allein in die Stadt gegangen (ca. 500 m, über drei kleine Straßen), um sich ein Heft zu kaufen. In den Kindergarten wollte sie damals auch allein gehen, das wäre ein guter Kilometer gewesen - das hab ich ihr damals nicht erlaubt, weil es an wenig begangenen, aber viel befahrenen Straßen entlang ging (außerdem war es vom Kindergarten nicht erlaubt). Sie durfte aber immer in Sichtweite vor mir herlaufen - und das waren im besten Fall ca. 300 m, da hätte ich auch wenig direkt eingreifen können, wenn was gewesen wäre.
Bei Toilettenbesuchen ist es mir wichtig, daß es nicht vorher (wie in manchen Kaufhäusern z.B.) lange, entlegene Treppen und verwinkelte Gänge gibt. Gut frequentierte Anlagen mit Personal darf Saskia schon lange allein benutzen - selten besuchte und entlegene ohne Personal, da geh ich lieber bis vor die Tür mit. Im Kino hier hätte ich z.B. keine Bedenken, sie allein gehen zu lassen.
Wie immer also: Keine Pauschale, sondern eine individuelle und situationsabhängige Entscheidung. Ein Kind, das lange ausschließlich begleitet wurde, kann man auch nicht mit einem Mal alles allein machen lassen - eines, das schon von Anfang an so viel wie möglich allein erledigen wollte und durfte, ist einfach damit gewachsen und kann so manches besser einschätzen.
Liebe Grüße, Anke
Saskia hat, denke ich, eine sehr lange Leine. Im Moment nutzt sie sie aber altersentsprechend, auch wenn sie mehr dürfte.