Middlesex - wer mag mit mir über das Buch reden?

AW: Middlesex - wer mag mit mir über das Buch reden?

Was hat nun aber Alice Schwarzer mit diesem Fall zu tun?
Weder hat sie die Kastration empfohlen noch jahrelangen Psychoterror durch Verschweigen der Wahrheit auf diesen Jungen ausgeübt. Kann man ihr den Vorwurf machen, wie fast alle Kollegen von John Money seinen (mehr oder weniger bewußt gefälschten) Ergebnissen geglaubt zu haben?

Nachschub: Übrigens hat John Money nicht nur "alles falsch" gemacht. Er hat schon lange auf dem Gebiet der Intersexualität geforscht und die These aufgestellt, daß es bei uneindeutig geborenen Kindern unter bestimmten Ursachen möglich ist, ihnen ein Geschlecht "zuzuweisen". Dies bezieht sich allerdings auf Fälle, in denen die Hormon"versorgung" des Embryos nicht klar in die eine oder andere Richtung geht - also weder viel Testosteron (=männlicher Embryo) noch Östrogen (=weiblicher Embryo). Sein großer Fehler - und das gegen eigene Einsicht, in seiner Doktorarbeit sah er das nämlich noch anders als später - war eigentlich, daß er ein Kind, daß im Mutterleib durch die ganze Schwangerschaft hin hohen Dosen Testosteron ausgesetzt war (sowohl körpereigene als auch von der Mutter gebildete), als Mädchen erziehen wollte. Seine eigenen Forschungen hatten bereits in den 30ern (IIRC) ergeben, daß hohe Dosen Testosteron bei allen Embryos zu einem "definitiv männlichen" Gehabe im weiteren Leben führten - auch bei Mädchen (im Englischen gerne als "tomboyish" bezeichnet, hier wohl eher "burschikos"). Gleiches klappt auch umgekehrt mit Östrogenen - sie fördern ein als "weiblich" empfundenes Ausdrucksspektrum.

Und *das* ist eigentlich das Schlimmere daran. Dieses Verschließen der Augen vor völlig anderen Ergebnissen, nur um die gerade populäre Theorie von "Nurture over Nature" zu untermauern.

...fällt dir übrigens auf, daß im zitierten Artikel das kritisierte Buch 1977 erschienen ist, die unschöne Wahrheit aber erst 1979 ans Licht kam?

Salat
 
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Also ich finde, einer unschönen Wahrheit bedarf es bei der Sache gar nicht erst. Was dieser Arzt da gemacht hat, ist - egal, wie das Ergebnis ausgefallen ist - abartig und gegen die Natur. Die Formung eines Menschen nach dem Willen eines anderen Menschen. Das verstößt gegen einige Grundgesetze. Er hat Gott gespielt und einen Menschen zu Versuchszwecken mißbraucht, ohne dessen Einwilligung. Selbst wenn es geklappt hätte und Money und Konsorten den "Erfolg" und die "neuen Erkenntnisse über Prägung der geschlechtlichen Identität" gefeiert hätten. Es wäre trotzdem abartig gewesen und dafür müsste es eine Strafe geben. Stattdessen wurde das Experiment ja sogar nach dem Tod von David Reimer noch als "Erfolg" weitergefeiert. Ich finde das unglaublich und kann gar nicht begreifen, dass man davon so wenig mitbekommen hat in den Medien. Mein Mann meinte dazu, dass es eine Randgruppe betrifft und daher wohl nicht so hochgepusht wurde.

Zum Thema, was die Schwarzer dazu getan hat...nein, natürlich ist sie selber nicht verantwortlich für dieses Experiment.

Aber sie hat ein Buch geschrieben (auch wenn es 2 Jahre vor dem gescheiterten Ergebnis war) und propagiert, dass Menschen beliebig zu Mann oder Frau geformt werden können, egal, welches biologische Geschlecht sie haben.

Zitat:
"Schwarzer jubelte in ihrem Buch: Das „Mädchen“ wird einer kontinuierlichen Hormonbehandlung unterzogen, und nach der Pubertät wird man ihm eine künstliche Scheide einsetzen. Sie wird dann eine normale Frau sein – nur gebären kann sie nicht. Und die Gebärfähigkeit ist auch der einzige Unterschied, der zwischen Mann und Frau bleibt. Alles andere ist künstlich aufgesetzt, ist eine Frage der geformten seelischen Identität."
Die mit der Gebärfähigkeit der Frau korrespondierende Zeugungsfähigkeit des Mannes als gewichtigem Unterschied zwischen den Geschlechtern war Schwarzer, als sie ihr Buch schrieb, offenbar gerade entfallen.
Zitatende

Man stelle sich mal vor, das Experiment hätte funktioniert....was hätte die Schwarzer dann erst propagiert und für Bücher geschrieben und wie viele wären auf der Welle mitgeschwommen...
Da ist die Steigerung ja eigentlich nur noch das Klonen bzw. genetische Verändern des Menschen, was ja zum Glück verboten ist (ja ich weiß, man kann durch genetische Veränderungen vielleicht irgendwann auch schlimme Krankheiten heilen....aber das ist ein ganz anderes Thema ;-) )

Liebe Grüße
 
AW: Middlesex - wer mag mit mir über das Buch reden?

:winke:Hab noch was vergessen:

Dass Money auf dem Gebiet der Intersexualität geforscht und wichtige Ergebnisse gebracht hat, mag ja sein. Aber hier handelt es sich ja nicht um einen Intersexuellen, sondern um einen Jungen mit eindeutig männlichem Geschlecht. Das macht es für mich so abartig, dass er da auf einmal ein Mädchen draus machen wollte. Das macht es zu einem so grausigen Experiment.


Liebe Grüße
 
AW: Middlesex - wer mag mit mir über das Buch reden?

Du hast in allen Punkten recht - bis auf einen.

Ich finde es nicht korrekt, die Schwarzer nun so besonders an den Pranger zu stellen, weil sie auf diese Ergebnisse reingefallen ist. Klar war das Wasser auf ihre Mühlen, aber damals ging es um Stand der Erkenntnis. Warum sollte sie nicht feiern, was ihre Ideologie (=Feminismus) so stark unterstützte?
Es ist ja nicht so, daß sie die Einzige war. Nur vielleicht eine der bekanntesten.

Nee, viel schlimmer finde ich da diesen Schmidt, der offenbar noch immer nichts aus den Fehlern anderer Leute gelernt hat.

Salat
 
AW: Middlesex - wer mag mit mir über das Buch reden?

Ja ok, sie mehr an den Pranger zu stellen, als andere, die auf der Welle mitgeschwommen sind, ist vielleicht nicht korrekt. Aber immerhin hat sie ein Buch drüber geschrieben und sie hat bis heute nichts revidiert, was sie damals alles toll und richtig fand und was sich als falsch herausgestellt hat. Da muss man natürlich die anderen, wie Schmidt, auch anklagen. Dieser Schmidt ist auch echt krass.

Es liegt wohl auch daran, dass ich - wie ich ja schrieb - die Schwarzer sowieso nicht ab kann. Sie ist mir einfach zu krass und will für mich die biologische Ordnung verdrehen. Ich bin auch für Gleichberechtigung. Aber irgendwo wurden wir nun mal zu Mann und Frau gemacht und da darf meiner Meinung nach jeder seine Besonderheiten haben. Sowohl biologisch als auch sozial.
Ich bin eine Frau, die auch viele Dinge tut, die Männer tun und die in einer Männerwelt gearbeitet hat und sich dort behaupten musste. Ich finde geschlechtliche Unterschiede im Beruf auch ätzend und denke, dass Frauen vieles so gut können wie Männer und auch umgekehrt. Aber eben nicht alles. Schon von Natur aus. Schon von der Evolution her. Und ... ich lasse mir gerne von einem Mann die Tür aufhalten ;-)
 
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