AW: Charlotte "fremdelt" so stark
Hallo Simone!
Marlene hatte diese "Phase" auch ganz lang und ganz stark. Besonders bei gleichaltrigen Kindern, aber auch bei Erwachsenen, die ihr nicht genügend Zeit gaben um "aufzutauen". Bei ihr dauerte das von eineinhalb Jahren bis fast 3 Jahren an. Und heute kennt man kaum mehr was davon, es ist fast wie weggeblasen. Neulich beim Kinderfasching ist sie mit einer wildfremden jungen Frau mitgegangen und hat ganz allein als jüngstes Kind bei den Spielen mitgemacht...ich war echt sprachlos.
Ich hab mir aber auch meine Sorgen gemacht deshalb. Aber letztendlich haben wir unseren Weg gefunden damit umzugehen...und er war so ähnlich wie Jacki geschrieben hat. Für Marlene waren zwei Dinge wichtig:
Sie wollte die Kontrolle über den Kontakt mit den anderen haben. Bei kleineren oder Gleichaltrigen war das nie der Fall, denn die kennen ja da keine Grenzen. Die gehen z.T. ganz eng auf Körperkontakt, umarmen und küssen sogar...alles natürlich lieb gemeint, aber Marlene war das einfach zu viel und sie hatte davor Angst.
Genauso wars auch bei manchen Erwachsenen, die ebenfalls Abweisende Signale ignoriert haben und, auch wenn sich Marlene schon hinter mir versteckt hat, trotzdem noch auf sie eingeredet haben...
Zu anderen Erwachsenen hat sie aber auch schnell einen Draht gefunden. Und zwar zu denen, die sie erst in Ruhe ließen und warteten bis sie Kontakt aufnahm und den ersten Schritt machte.
Also Personen, aus eurem Umfeld, kannst du das vielleicht erklären. Marlenes Oma hatte anfangs auch ziemliche Probleme damit, weil sie es von den anderen Enkelkindern nicht kannte. Aber nach einigen Erklärungen und ein, zwei positiven Versuchen hat sie ihr immer die Zeit gelassen, die sie brauchte um Aufzutauen.
So halbfremde Personen, die immer ganz komisch geschaut haben, wenn Marlene total ablehnend auf ihre Annäherungsversuche reagiert hat, hab ich auch immer erklärt, dass Marlene einfach ein bischen braucht bis sie warm wird, das wurde eigentlich auch immer akzeptiert.
Das zweite was ihr ganz wichtig war: Das Gefühl, dass ich voll und ganz hinter ihr stehe und dass es mir egal ist, ob sie schüchtern ist oder nicht. Das war für mich natürlich ein schwerer Teil, aber ich hab gemerkt, wie sie grad aus jenen Momenten, in denen ich wirklich völlig hinter ihr stand, enorm viel Kraft und Mut ziehen konnte. Wenn sie also wiedermal an mir geklebt ist, anstatt mit den Kindern mitzuspielen oder mich immer hinter sich herzog, dann hab ich einfach versucht sie nicht "umzumodeln" oder ihr was einzureden, sondern sie einfach gelassen und signalisiert "das ist OK, es ist deine Entscheidung". Nach und nach hab ich sie manchmal auch zu etwas ermutigt und wenns geklappt hat ordentlich gelobt. Wenns nicht geklappt hat, dann hab ich gesagt "Macht nichts, vielleicht traust du dich beim nächsten Mal".
Aber letztendlich hat sie sich selber da rausentwickelt und aus diesen Erfahrungen ein wirklich felsenfestes Selbstvertrauen mitgenommen.
Mach dir keine allzugroßen Sorgen deswegen. Ich weiß es ist schwer darauf zu reagieren, aber ich bin mir auch sicher, dass ihr euren Weg finden werdet. Beobachte deine Kleine ganz genau und sprich mit ihr über ihre Gefühle und auch über deine...damit kann man nicht früh genug anfangen.
lg, Johanna