Liebe Nicola,
Du hast ja schon ganz tolle und hilfreiche Überlegungen bekommen.
Möchte Dir einfach was von Manuel schreiben - damit Du einfach weißt, dass es viiiiele Kinder gibt, die vom Wesen her sind wie Dein Kleiner.
Manuel war von klein auf ein Beobachter. Am liebsten saß er bei mir und schaute sich alles an, was rund um ihn herum geschah.
Auf dem Spielplatz spielte er schon - aber nur, wenn kein anderes Kind dazu kam. Kam ein Kind, dann verließ Manuel das Spielgerät und wartete, bis das Kind wieder weg war.
Zum Beispiel gibt es bei uns einen Spielplatz, wo es ein großes Jeepauto zum einsteigen gibt und wirklich viele Kinder Platz haben. Manuel mochte das Auto auch sehr - aber nur, wenn kein anderes Kind drinnen saß.
Manuel ließ sich Dinge einfach aus der Hand nehmen in der Spielgruppe - suchte sich was anderse zum Spielen und wenn das andere Kind kein Interesse mehr hatte an dem Weggenommenen, dann holte er es sich - mit einem schüchternen Blick, wie das Kind reagiert, wenn er es sich holt.
Manuel geht nun in einen Kindergarten, wo in der Gruppe wenige Kinder sind (momentan max. acht Kinder) und die Betreuerinnen auf das Wesen des Kindes Rücksicht nehmen. Er darf zum Beispiel in der Freispielzeit auch die ganze Zeit bei mir sitzen und zuschauen. Es wird ihm nicht das Gefühl gegeben, dass er "anders sein sollte". Und momentan ist es so, dass ihn die Kinder holen, dass er was mitspielen soll. Er geht dann mit einem schüchternen Blick - aber er geht mit. Und wenn es für ihn genug ist, dann kommt er zurück - und ich merke, dass es was "innerlich anstrengendes" war, jetzt sozusagen "mit wem anderen zu sein".
Manuel braucht einfach seit klein auf das Gefühl, dass ich da bin - eine Art Rückhalt und "Rückzugsort".
Ich spüre einfach, dass Manuel nicht mehr so oft meine ganz direkte Nähe braucht - aber schon noch die "Nähe auf Entfernung".
Es gibt einfach Kinder, die von ihrem WEsen her Zeit brauchen für ihre Gefühlswelt. Manuel baut im Nu ein 40teiliges Puzzle zusammen - fürs Annähern an andere Kinder braucht er halt länger.
Ich habe mir auch angewöhnt, auch anderen Leuten gegenüber einfach das Positive zu erwähnen. Wenn mich wer fragt, wie er sich im Kindergarten tut, dann sage ich, dass er das ganz toll macht.
Natürlich verstehe ich Deine Bedenken. In mir gingen auch sehr viele Gedanken im Kopf rum. Aber eher in die Richtung, dass Manuel sozusagen "übrigbleibt" oder "nicht dazugehören wird".
Bin aber mit der Zeit draufgekommen, dass sehr viele meiner Bedenken Dinge sind, die ich in meiner Kindheit erlebt habe und nun Angst habe, dass sie Manuel auch erleben wird.
Ich bemühe mich, Manuels Wesenszug als Vorteil zu sehen - und dass er das einfach braucht, um zukünftige Dinge in seinem Leben zu meistern.
Und einfach auch das Vertrauen, dass Manuel die Dinge "auf SEINE Weise" lösen wird, die mit dem Umgang mit anderen Menschen zu tun hat.
Mo kann seine eigene Meinung in späteren Jahren nur vertreten, wenn ihr ihn in der Kindheit so annehmt, wie er mit seinem Wesen ist. Dann wird er auch den Mut haben, sich so auszudrücken und zu zeigen, wie er WIRKLICH ist. Mit der Basis, dass ihn die Eltern mit all seinen Facetten annehmen, kann er gestärkt in die Welt hinausgehen. Natürlich wird es viele Situationen geben, wo er einfach merkt, dass ihn manche Leute halt nicht so annehmen können - aber er wird sich selbst treu bleiben können und sich DIE Leute als Freunde finden, die ihn so mögen, wie er ist.
Nimm Deinen Kleinen so an, wie er ist - und ich schließe mich den Vorschreiberinnen an: Schau auf die Positiven Dinge, die Mo an sich hat - und das sind sicher ganz viele (und viele wird er Dir noch gar nicht gezeigt haben
).
Einen ganz lieben Gruß
Christine