Hallo Sabrina,
ich habe einen kurzhaarigen belgischen SH, die gibt es auch (Malinois). Sie lebt noch, ist inzwischen 10 Jahre alt.
Ich liebe sie sehr, trotzdem würde ich mir keinen Hund einer so hibbeligen Rasse mehr anschaffen. Beim nächsten Mal möchte ich einen Hund, der "mehr in sich ruht", und den man dadurch auch mehr mitnehmen kann.
Die Sachen, die ich Dir schreibe, habe ich erlebt bzw. erlebe ich noch, ich habe dergleichen auch nie von einem Züchter gehört. Immerhin wollen sie ihre Hunde verkaufen. Und Verliebtheit macht blind! (Jeder gute Züchter liebt seine Rasse über alles.) Der holländische SH ist dem belgischen sehr ähnlich, die Rassen gelten auch als eng verwandt, insofern wird es da sicherlich Verhaltensähnlichkeiten geben.
Es sind einfach 200%-Hunde, und sie brauchen 100%-Menschen. Das ist schön für Schäfer - die Hunde treiben oder suchen Schafe, bis sie fast tot umfallen, wenn man sie nicht bremst. Das ist auch schön für Hundesportler, die bei Wettkämpfen natürlich vollen Einsatz schätzen.
Es ist aber so, dass die Hunde nicht nur die erwünschten Dinge 200%ig tun. Wenn so ein Hund jagt (Hühner, Katzen, Rehe, Autos, Fahrräder, Inliner, spielende Kinder oder was auch immer), dann ist er beim leisesten Hauch seines "Jagdobjektes" weg. Gina z.B. jagt Rehe, ich kann sie im freien Feld nicht laufen lassen. Es muss überhaupt kein Reh in der Nähe sein. Eine Spur der letzten Nacht, ein Soll am Horizont, wo
vielleicht eins drinstecken könnte - ab geht die Post. Wenn so ein Hund Angst hat, ist er ein hysterisches, zitterndes Bündel. Gina hat Angst vor Gewittern, damit könnte ich ja noch halbwegs leben. Aber bei Gewittern regnet es - jetzt hat sie Angst vor Regen. Manchmal stürmt es - seitdem hat sie Angst bei starkem Wind.
Andere Hunde, die ich kenne, sind Machos und müssen mit jedem Rüden raufen. Andere raufen nur mit bestimmten "Feinden", mit denen aber dafür richtig.
Es sind einfach Arbeitshunde, sie brauchen wirklich extrem viel Auslauf, viel Beschäftigung, sehr viel Erziehung und Hundeverstand, viel Ansprache, viel Kontakt und viele Streicheleinheiten. Sie sind super intelligent und lernen immer das falsche zuerst (wo steht essbares, wen kann ich wie austricksen). In der Hundeschule sind sie super brav - sie lernen ganz schnell, dass dort nicht ihr Mensch das Sagen hat, sondern der Ausbilder. Zu Hause schalten sie dann wieder auf Durchzug.
Wenn Dein Hund bei der Zeitungsrunde einen "Lieblingshundefeind" oder eine "Jagdkatze" aussucht, können solche Touren sehr stressig werden. Und auf dem Land gibt es viele potentielle Jagdobjekte.
Ich will Dir Deine Traumrasse nicht madig machen. Aber Du solltest es Dir gut überlegen - ich habe etliche solcher als Familienhunde angeschaffter Tiere in der Notvermittlung gesehen. Und da es sehr stark auf
einen Menschen geprägte Hunde sind, ist das sehr schwierig und für die Hunde ein furchtbares Trauma. Mit einer anderen Rasse werdet Ihr unter Umständen viel glücklicher.
Man kann die Hunde auch schwer sitten lassen. Gina z.B. geht mit Fremden (das sind alle außer mir, Ralf und meiner Mutter) einfach nicht mit. Sie heult und kläfft, wirft sich hin - unmöglich, mit ihr wegzugehen. Meine Mutter wird körperlich nicht mit ihr fertig (Gina hat ihr mal, als sie an der Leine war, fast den Arm ausgekugelt, als sie "einfach so" abging). Also waren wir seit 10 Jahren nie zusammen irgendwo, wohin man fliegen müsste.
Zur Arbeit ins Büro mitnehmen ist bei Gina unmöglich. Sie kann nicht still sitzen, läuft herum, durchwühlt Papierkörbe, bellt Hereinkommende an.
Vor einem Laden anbinden - ein Drama. Selbst wenn sie im Auto bleiben soll, kläfft sie die erstern Minuten herum, weil sie Frust hat, dass sie nicht mit darf. Wenn sie irgendwo warten muss (bis es Futter gibt, bevor wir eine Tür aufmachen), läuft sie in 10 Minuten 100 kleine Kreise. Wir könnten sie viel mehr mitnehmen, wenn sie wenigstens mal stillsitzen oder ordentlich bei Fuß gehen würde. Gina geht an der Leine bei Fuss (mit einem sehr schlechtgelaunten Gesicht), aber ohne Leine vergisst sie es nach spätestens 2 Minuten. Sie will nicht spazierengehen, sondern rennen. Ein Retriever, den ich mal ausgebildet habe, ging nach 2 Tagen mustergültig "bei Fuß" und machte ewig "Platz", es kann also nicht nur an mir liegen. :-?
Jeder Hund ist wie ein zusätzliches Kind im Haus. Aber so ein Hund ist eher wie ein Problemkind, was den Zeit- und Nervenaufwand angeht. Natürlich ist es nicht gesagt, dass Dein Hund die gleichen Probleme macht wie Gina. Aber irgendwelche Probleme wahrscheinlich schon, wenn er als Familienhund ohne Arbeit leben soll.
Liebe Grüße