Aber ich kenne das von uns. Wenn man die Sorgen lange mit sich herum getragen hat und dann sein Anliegen vorträgt, ist man so verzweifelt, dass man natürlich all die Probleme auflistet, weil man ja genau hierfür Hilfe sucht. Keiner schließt dann noch mit einer Positivliste ab - gleichwohl diese im Alltag durchaus spürbar ist.
Ich weiß, wie sehr schwer das sein kann, wie du auch, Coro. Man geht ja auch nicht zum Arzt und zählt erst auf, was einem alles nicht weh tut, bevor man auf den Punkt kommt, wo es zwickt und natürlich muss es um die Auffälligkeiten gehen, wenn Hilfe eben diesbezüglich gesucht wird, weiß aber auch, wie wichtig neben all dem der positive Blick aufs Kind ist.
Ich bin schon aus Arztgesprächen herausgegangen, den Kopf brummend voll mit Diagnoseschlüsseln, in denen es ausschließlich um Defizite und Krankheiten ging und habe gedacht, meine Güte, wenn du jetzt selber nicht überzeugt wärest von deinem Kind, dann wäre es gerade niemand. So können ganz unauffällig ganz ungute Spiralen entstehen. Die Negativliste, so nötig sie zu bestimmten Anlässen auch sein mag, hätte mich vollkommen runtergezogen und mir es erschwert, mich vorbehaltlos auf mein Kind einzulassen.
Nur der immer wieder reflektierte Blick auf seine Einzigartigkeit kann das.
Es gibt Dinge, die wird er nie können, Es gibt Dinge, die konnte er deutlich später und eingeschränkter als Gleichaltrige. Seine Grenzen aufgrund der chronischen Erkrankung sind oft sehr eng gesteckt, zwangsläufig.
Aber mir ist es dennoch wichtig, spontan mindestens 10 Dinge nennen zu können, die ich ganz toll an ihm finde, denn mein eigener positiver Blick überträgt sich aufs Kind und sein eigenes Selbstverständnis, davon bin ich überzeugt.
Wie gehts euch denn heute, Nora?