Gedichte & Gedanken Nur Hausfrau

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
*** und ** haben die Grippe.
Nicht irgendeine, nein, unser aller Lieblingsgrippe: Magen-Darm-Grippe.

Während man bei der Feld-Wald-Wiesengrippe ja "nur" mit fiebrigen, quengeligen Kinderchen zu kämpfen hat, die ihr Lieblingsessen zwar jetzt gerade nicht essen wollen (obwohl es vor fünf Sekunden noch im Ton von "JETZT, oder ich sterbe gleich" angemahnt wurde), dafür aber in aller Regel eine Menge Zeit schlafend verbringen, bevor sie dann in der Rekonvaleszenz endgültig kurz vor dem gewaltsamen Tod stehen, weil sie sich nicht für eine Tätigkeit entscheiden können -
Ja, also im Gegensatz zu dieser äußerst einfachen, fast entspannenden Krankheit hat man bei der Magen-Darm-Grippe ja noch die unglaubliche Freude, in regelmäßigen Abständen den Boden aufwischen zu dürfen.
Oder das Bett neu zu beziehen.
Oder das Kind neu zu bekleiden.
Oder das Sofa abzufeudeln.

Sofern man nicht gerade neben dem Kind hockt und es mit Engelszungen dazu überreden möchte, von dem eklig süß-salzigen Elektrolyt-Schlabber doch bitte, bitte wenigstens ein winziges Schlückchen zu nehmen.
Oder eine klitzekleine Salzstange zu knabbern.
Oder einen Zwieback zu mümmeln.
Oder einen ganz unbedeutenden Löffel geriebenen Apfel.

Und NEIN, Milch gibt es ganz bestimmt nicht.
Auch keine Butter aufs Brötchen.
Morgen, vielleicht.

Wenn man dann abends rechtschaffen erschöpft ins Bett sinkt, denkt man kurz vor dem Wegsacken vielleicht noch gerade daran, daß man sich ja zwei, drei der frischen Bettlaken hinlegen wollte, zusammen mit der Ersatz-Bettdecke (und der zweimal gefalteten Wolldecke, denn wenn die Ersatzdecke auch begöbelt ist, was tut man dann?). Ist natürlich alles zu spät, denn die Glieder sind plutoniumschwer und überhaupt ist man sowieso schon eingeschlafen. Bis dann - meist so gegen halb drei, oder eine Stunde, bevor der Wecker klingelt, vorzugsweise sowieso beides - der Ruf ertönt (in angemessener Panik und Verzweiflung): "MAAAAAAAAAAAAA aaaaaaaaaa maaaaaa..." (verklingend in hoffnungsloser Verzweiflung - Mama ist die letzten 10 Male schon gekommen, da wird sie jetzt natürlich nicht kommen, und man verendet einsam und alleine...)
Und wenn man dann gerade die letzten Falten des neuen Bettlakens glattstreicht, das zitternde Häufchen Elend in seinem neuen Schlafanzug, das Gesicht noch naß glänzend von der letzten Waschaktion, liebevoll ins Bett bugsiert, nur um sich umzudrehen und in der plötzlichen, tiefschwarzen Dunkelheit, die immer auf das "Knips" des Lichtschalters folgt, das unheilverkündende Geräusch zu hören: "Ulg - Ullllg - UUUUUAAAAArrrglgllggllllssssk" - dann liebt man Kinder. Nur gerade nicht das eigene.

Hab ich mir zumindest gerade von meiner Freundin bestätigen lassen. Denn, klopf Holz und wirf Salz über die Schulter, *** ist eine unheimlich rücksichtsvolle Kranke.
Nein, nicht, was das Sofa und Papas Bett angeht (in Mamas Bett ist ja wegen **´ regelmäßigen nächtlichen Gelagen immer noch eine Gummimatte unter dem Bettlaken eingezogen, daher macht es da keinen Spaß). Aber die Nächte, die hat sie mir gnädigerweise erlassen. Obwohl ich bereits mit Bettlaken und Ersatzdecke bewaffnet meine Augenringe poliert habe.

Denn die Nacht vor *** akuter Erkrankung mit der schönen MDG hatte mich ** aufs Gröbste gefördert. Scheinbar hatte sie sich beim Röntgen in der Kinderklinik diesen hübschen Virus gegönnt. Es war ja beruhigend, zu wissen, daß ihre Atemgeräusche "nur" auf eine Bronchitis zurückzuführen waren und nicht auf eine Lungenentzündung, an der Sache selbst änderte das nichts.

Gemerkt aber haben wir bei ihr von der MGD nur sehr wenig. Ein Baby, das an zwei Tagen zweimal Milch erbricht, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Und wenn sie nur Milch trinken will und keinen Brei essen, schiebe ich das - wie alle Mütter - auf durchbrechende Zähne. Natürlich wirkte sie elend, wo sie doch sonst völlig unbeeinträchtig vor sich hin lacht. Und natürlich habe ich sie scharf beobachtet, das Ganze aber eben auf ihre jetzt schon gute 14 Wochen andauernde Bronchitis geschoben. Die es eben genausogut verschuldet haben kann, daß ** in der Nacht zum Montag fast stündlich hustete, schrie und weinte. Um vier Uhr war der Ofen aus, zappenduster. Wir inhalierten mit Cortison (wie jeden Morgen, wenn auch nicht so früh), krabbelten wieder ins Bett und hofften auf ein wenig mehr Schlaf.
Pustekuchen.

Sobald Mama versuchte, sich ein wenig in die Horizontale zu begeben, bekam das Kind Panik. Nein, sitzen bleiben, aufrecht, ich bekomme sonst keine Luft.
Wie erklärt man einem 6 Monate und drei Wochen alten Mädchen, daß es überhaupt keine Probleme hätte, zu atmen, wenn es nur aufhören wollte, wie am Spieß zu schreien? Gar nicht, genau.
Also versuchte Mama (erfolglos), wenigstens das Kind sitzend zu lagern und sich selbst daneben zu legen.
Denkste.

Immerhin waren wir dafür um sechs Uhr schon schön wach, so daß wir ohne Probleme gegen halb acht Uhr alle angezogen waren. Sozusagen mit einem Bein schon in den Stiefeln (Mama schob sich gerade das letzte Frühstücksbrot in den Mund), mußte bei *** schnell noch was gewechselt werden. Da der Papa das offensichtlich gut im Griff hatte, stellte ich mich also tot - bis der Urschrei kam:
"Ich brauche hier Hilfe!! Uuu, das stinkt!"
Seufzend also erhebe ich mich und schlucke noch einmal.
Eine gute Entscheidung.
Schon in der Tür des Kinderzimmers - gute 1,50 m vom Wickeltisch entfernt - schlägt mir ein Miasma entgegen. Ich ringe nach Luft, teils, weil es so bestialisch stinkt, teils, weil ich so lachen muß.
"***, was hast du bloß gegessen?" keuche ich.
"Hilfeee, Hilfe! Sie ist wirklich bis an die Oberkante voll. Das ist - schau nur, hier, alles durch - das geht so nicht!" stammelt mein Mann und zieht sich schnellstens vom Ort des Geschehens zurück. Taskforce Mama ist ja da, und Stinkewindeln waren noch nie sein Hobby.

Aber hier ist wirklich kein Land zu sehen. Ich pelle die restliche Windel auf und trete mit *** die Flucht nach vorn, bzw. ins Bad an. Hemdchen, Pullover - alles ist *getränkt* mit dünnflüssigem genaudas, und kurz darauf getränkt von Wasser.
Blitzblank und nackig kommen wir zurück (d.h., nackig ist *** - ich habe die Waschung unversehrt überstanden).
Nun gut, der Gang zum Arzt ist ja sowieso gebucht, nehmen wir sie halt mit.

"Oh oh" tönt es vom Rücksitz.
Ich drehe mich um. Wir haben gerade den Papa in den Zug gesetzt und steuern nun den Kinderarzt an.
"Was ist los, Schätzchen?"
"Aa pomm glei haus." Für Ungeübte: "Aa kommt gleich raus."
Bittere Aussichten, angesichts des zu erwartenden Gestanks. Trotzdem freue ich mich über die kognitive Leistung meines kleinen Fussels. Immerhin haben wir Glück, im nächsten Moment meldet sie:
"Feuer. Pomm haus."
Was ich als Meldung eines ... ehemm... "heißen Schleichers" interpretiere.

Beim Doc wirds turbulent. Mit dem Baby auf den Knieen diskutiere ich den Röntgenbefund, versuche, ihn zu überzeugen, daß ein Antibiotikum durchaus Sinn haben könne. Immerhin bin ich seit vier Wochen auch immer wieder krank mit einer Halsgeschichte, das könnte doch schließlich zusammenhängen.
Inzwischen wird *** immer stiller. Sie will auch auf meinen Schoß, nun gut, ich habe ja zwei Beine.
Plötzlich wird mir ein rhytmisches Klopfen gegen meine linke Hand bewußt.
*** starrt bedrückt ins Leere.
"Entschuldigung, Dr. K... - ***, ist dir schlecht? Musst du spucken?"
Gedankenvolles Nicken.
Ich glaube, so schnell hat Dr. K. seine Spuckschale selten geleert. Aber auch hier haben wir Glück:
"Pomm nich haus" - es bleibt uns erspart. Nur ein paar Sabbertropfen belasten das Schälchen.

Anderthalb Stunden später sind wir wieder zuhause, voll beladen mit Medikamenten - Vomex für das kranke große Kind, Flui-DNCG und ein Antibiotikum für das kranke kleine Kind.
*** wird auf dem Sofa untergebracht, während ** darauf besteht, herumgetragen zu werden, um besser Luft zu bekommen. Dabei habe ich die ganze Zeit den Eindruck, daß die Luft gar nicht ihr Problem ist, jedenfalls jetzt nicht. Sicher, sie hustet, und wenn sie hustet, bekommt sie gerade keine Luft - würde sie aber nicht gleich Angst bekommen und losweinen, gäbe es kein Problem. Nur, wie ihr das klarmachen? Verständlich ist ihre Angst ja schon.

Kurze Zeit später trifft "Eeeelaaa" ein, unsere Kurzzeit-Tagesmutter. Sie ist eine von ***s Kindergärtnerinnen und da sie "nur" eine halbe Stelle hat, kann sie umschichtig alle zwei Wochen ** hüten, wenn ich meine zwei Tage arbeiten gehe. Da ** - wie jetzt endlich feststeht - auch in die Tagesstätte kommen wird, muß sie sich so nicht zweimal an ein fremdes Gesicht gewöhnen.
Jetzt kommt sie ausnahmsweise zu uns, statt das das Kind zu ihr kommt, und leiht mir zwei wertvolle Hände. Der Haushalt hat meine Aufmerksamkeit wirklich nötig.

Als ich aus dem Keller wiederkomme, ist es passiert: der erste Spucker des Tages. Bis zum frühen Nachmittag hat es gedauert, aber die rote Grütze hat *** den Rest gegeben. Den Vanillepudding konnten wir ihr abschlagen, die Grütze schien recht harmlos. Naja, nun ist sie wieder draussen, zusammen mit den blanken Nudeln, die ihr vorausgingen.
Kind ausziehen, vom Sofa die Decke abziehen (ich bin ja durchaus vorsichtig), neue Bettdecke holen, beziehen, Kind anziehen...
Und kurz darauf nochmal. Der Eimer ist recht nutzlos, *** spuckt meist nur einen kurzen Schwall. Mit wilden Augen hockt sie dann verständnislos über dem Eimer und wartet, daß ich ihr etwas Wasser zu trinken gebe.
Immerhin trinkt sie, wenn auch wenig und nur in kleinen Schlucken. Aber es bleibt für heute bei den zwei Spuckereien, nachts hält sie sich stark zurück.

Abends rufe ich trotzdem nochmal den Doc an. ** rauscht bei jedem Atemzug, trotz fünfmaligen Inhalierens am ganzen Tag, hat dünnflüssigen, blasigen Schleim vorm Mund. Endlich bekomme ich das Okay für das Antibiotikum, zusammen mit der Anweisung, bei Problemen in der Nacht sofort ins Krankenhaus zu fahren. Ja. Ungern. Krankheiten haben die Tendenz, sich im Krankenhaus in eine ungewollte Richtung zu entwickeln.
Oder, wie eine Freundin es formulierte: "Rein kommt man auch auf Verdacht, aber raus nur auf Gewißheit."

Aber die Nacht wird zwar ähnlich unruhig (um drei Uhr morgens Inhalieren, neben Mama ins Bett, Hand auf ihrem Gesicht liegen lassend, um vier Uhr jammern, bis man per Kopfkissen stark angewinkelt hingelegt wird, um fünf Uhr dann wieder Ofen aus und an Mama gelehnt sitzend dahindämmernd, bis um sechs Uhr Aufstehen die Parole ist - gefolgt vom nächsten Inhalieren), doch nicht *so* beängstigend, daß wir die Fahrt antreten müssten.

Gruß,
Buchstabensalat
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Morgen sieht uns müde und geschafft an unseren verschiedenen Wirkungsstellen:
Cassie auf dem Sofa, Daumen im Mund (das einzige Feste, was da reinkommt und drinbleibt), Feli schnaufend und pustend in ihrer Tragetasche angewinkelt aufgehängt, und Mama hält sich krampfhaft an ihrer Kaffeetasse fest.
Auch heute steht uns "Ela" wieder zur Seite, und der Tag vergeht glimpflich. Zweimal spuckt Cassie, verweigert daraufhin jedes Essen und verschläft fast den ganzen Tag.
Feli hingegen scheint es besser zu gehen. Mußten wir gestern fünfmal Inhalieren, bleibt es heute bei den üblichen dreien. Ob das Flui-DNCG hilft oder das Antibiotikum anschlägt, ist mir dabei gleich - ich bin erleichtert, daß das Kind freier atmen kann.

Mittags dann erwischt mich das totale Tief. Die harte Nacht holt mich ein, und ich lege mich zu einem "Notschläfchen" für eine Stunde hin. Eigentlich soll mich Feli ins Land der Träume begleiten, die aber denkt nicht dran und veranstaltet Terror.
Ela schnappt sie sich und trägt sie ein wenig hin und her - dem Himmel sei Dank für sie.
Eine Stunde später rappele ich mich wieder hoch. Feli schläft selig an Elas Schulter - na, das hätte sie auch gleich machen können.

Am Mittwoch, dem dritten Krankheitstage, stehe ich dann allein gegen die Welt. Ela muß arbeiten, mein Mann ebenfalls, Schlingel hat selbst mit MGD zu kämpfen: großzügigerweise haben meine Kinder mit Isabel geteilt... auweh. Nach allem, was man so hört, hat es ihre Kleine noch schwerer erwischt.
Der Morgen verläuft gedämpft, Feli ist aktiv und glücklich - wie fast immer - Cassie hängt auf dem Sofa ab und stiert höchstens mal ins Kinderfernsehen. Jetzt hat sie auch ihre erste Begegnung mit der "Maus" - das gelbe Nagetier kann ihr tatsächlich Interesse entlocken. Staunend sieht sie mich an: "Maus!" Ja, zu meiner Zeit auch schon, Süße.

Am Nachmittag dann rappelt sie sich auf und verlangt vehement nach einem "Booot" mit "Buta". Brot bzw. Brötchen darf sie ja gerne haben, aber Butter? Mir ist mulmig, aber ich erlaube ihr eine fast moleküldünne Schicht Margarine. Immerhin hat sie das letzte Mal morgens einen nassen Rülpser getan, und seitdem nichts mehr.
Und das Brötchen bleibt auch drin.
Ich erlaube mir verhaltenen Jubel. Zum Frühstück am Donnerstag gibt es wieder Brot, mittags verdrückt Cassie ein paar Nudeln, nachmittags eine Apfelspalte. Alles bleibt drin. Hurraaa, wir haben es hinter uns?!

Trotzdem ist sie den ganzen Tag müde und abgespannt. Ich schiebe es auf das Zwangsfasten. Offenbar muß sie erst wieder ein wenig Kalorien einfahren, bis der Motor auf Touren kommt. Um 16 Uhr will sie ins Bett und schläft ein.
Einerseits freut mich das ja, habe ich so nur noch mit Feli zu tun. Andererseits werde ich gegen 18 Uhr unruhig, kann sie doch kaum bis zum nächsten Morgen durchhalten. Soll ich sie wecken?
Die Entscheidung wird mir abgenommen. Mein Mann kommt nach Hause und schaut zu ihr rein. Dann kommen die beiden ins Wohnzimmer. Ein kurzes, karges Abendbrot mit Brot und Wasser. Dann läßt Cassie sich auf Papas Schoß nieder und beschmust ihn ausgiebig, was ihm wohl gefällt.

Gut, kann ich mich voll Felicitas´ Abendinhalation widmen. Heute ist ein mittelprächtiger Tag.
Soll heißen, sie schreit zwar nicht die ganze Zeit wie am Spieß, sitzt aber auch nicht zufrieden auf meinem Schoß und nickert weg.
Als erstes versucht sie, die Maske anzufressen.
Dabei geht sie äußerst clever vor. Sie kippt den Kopf langsam und unmerklich in den Nacken, bis die Maske etwas hochrutscht, angelt dann mit ihrer Zunge nach dem unteren Rand - und verrät sich dann durch begeistertes Grunzen, während sie hingebungsvoll an der nachgiebigen Silikonrandung kaut und leckt.
So geht das natürlich nicht. Ich schiebe die Maske wieder in Grundposition.
Zweiter Versuch seitens Feli. Diesmal unterstützt von ihren Händen. Sie umklammert den Schlauch, nimmt ihn möglichst kurz, so daß ich keine Möglichkeit habe, die Maske wieder zurechtzurücken.
Während ich also ihre Finger vom Schlauch puhle, bemüht, die Maske auf Position zu halten, greift ihre andere Hand an den Verdunster (wer einen Pari-Boy zuhause hat, weiß, daß ich von dem Zylinder spreche, in den man das Medikament gibt) und schiebt dort herum.
Kurze Zeit kämpfen wir um den Besitz des gesamten Mundstücks. Dann habe ich gewonnen. Ich klemme mir ihre Hände unter die Arme: der eine, der sie auf meinem Schoß umfaßt, der andere, der das Mundstück mit Maske und Verdunster festhält.
Feli beginnt Plan C. Ruckartig wirft sie den Kopf in den Nacken, zur Seite, zur anderen Seite - immer verfolgt von mir. Bei dem ganzen Geöle verliere ich natürlich die Kontrolle über ihre Händchen. Sofort hat sie die Pfötchen wieder an Maske, Mundstück, Schlauch... Das Kind scheint plötzlich nur noch aus Tentakeln zu bestehen.
"Raaaaah!" Mit einem leicht belustigten Wutschrei klemme ich sie wieder fest, Arm über ihre Arme, Kopf halb in meine Achselhöhle geklemmt, von meiner anderen Hand fixiert.
Jetzt kommt das, was ich am meisten hasse.
Feli startet die psychologische Kriegsführung.
Resigniert sackt ihr Körperchen zusammen, die Augen starren in die Ewigkeit, bekommen einen hoffnungslosen Ausdruck.
Ja, halte mich nur fest. Nein, ich werde mich nicht mehr wehren. Ersticke mich nur ruhig mit deinem Nebelwerfer, ich werde still vor mich hinröcheln und nur hin und wieder in deinen Träumen herumspuken, schluchz, schluchz... dahin alle Träume von einem besseren Leben, Hoffnung, Pläne... nein, ich beklage mich nicht - oh, sind wir fertig?
Kaum ist die Maske weg, schweifen ihre Augen schon wieder gierig nach Spielzeug umher.
Ich drücke ihr die Kunstblume mit den vielen Stoffblütenblättern in die Händchen und gehe, Cassandra ins Bett zu stecken.

Endlich, endlich herrscht Ruhe. Mit erschrecktem Blick stellen wir fest, daß es bereits kurz vor acht Uhr ist. Die übliche Zeit in diesem Haus ist halb sieben!
Zeit für uns. Ein wenig, zumindest. Da ist noch Wäsche im Keller, und dann möchten wir auch noch an den Computer, und Fernsehen...
Ruckzuck ist es elf Uhr abends. Und natürlich, kaum daß ich mich zum Schlafen hingelegt habe und ein wenig eingenickert bin, will Feli ihr Fläschchen. So wird es also halb eins, bis ich endlich Ruhe finde.
Um halb drei ist schon wieder Fütterschicht. Feli mag das erkaltende Fläschchen aus dem Isolator nicht, trinkt nur wenig. Das macht sie aber nicht satt, also meckert sie kurz darauf wieder los... schließlich mache ich ihr ein warmes, neues Fläschchen. Um halb vier ist endlich Ruhe. Besonders irritiert mich aber, daß ich um 2:30 an ihr Bettchen gekommen bin, aber um 2:50 mit Füttern erstmal aufgehört habe. Niemals habe ich zwanzig Minuten dort gesessen, das waren höchstens fünf, wo also sind die fehlenden 15 Minuten geblieben?
Als ich dieses am Frühstückstisch berichte, tröstet mich mein Mann.
"Die sind bestimmt nicht weg", meint er, "du bist sicher eingeschlafen."
"Am Bettchen sitzend und die Flasche reinhaltend? Niemals", protestiere ich.
Er grinst nur. "Und sonst?"
"Um viertel nach Vier ist Cassie aufgewacht und wollte ein Brot. Und Feli die Flasche. Und dann sind wir alle in meinem Bett gelegen und haben nochmal geschlafen, bis du aus dem Arbeitszimmer gekommen bist."
Wohin ich ihn geschickt habe, damit wenigstens einer ungestörten Schlaf bekommt, wenn Feli nachts herumtobt. Wenn ich weiß, daß ihr Geschrei niemanden weckt, kann ich viel entspannter damit umgehen - und sie schreit kürzer, weil sie das spürt.

Inzwischen will Cassie endlich wieder eine Milch. Ich bin dafür - in Maßen - mein Mann dagegen. Natürlich hat er Recht gehabt, am späten Vormittag ist die Milch wieder draußen.
Den nächsten Anschiß bekomme ich bei Doc K.
"Keine Milch. Dafür gibts einen auf den Deckel."
"Ja, akzeptiert. Aber immerhin hatte sie zwei Tage nicht mehr erbrochen."
"Keine Milch", bleibt er hart.
Keine Milch.
Schwarzen Tee, aufgelöstes Elektrolyt, Zwieback, geriebenen Apfel.
Will sie aber alles nicht.
Beim Mittagessen entsprechend großes Theater. Opa sollte in seiner Küche Pfannkuchen backen, für Cassie wollte ich gekochte Kartoffeln servieren.
Da kommt Opa entgegen meiner Weisung mit einem Pfannkuchen herein.
"Ich kann das nicht. Die brennen alle an, das ist ein Mist ist das verdammter" schimpft er herum.
"Pfanne?" piepst es sofort vom Sofa her.
"Nein, Cassie, kein Pfannkuchen."
"Pfanne kochen?"
"Nein, Cassie, Kartoffeln. Oder Nudeln."
"Pfanne kochen!!!!" Tränen kullern, ich könnt ihn aus dem Fenster werfen.
Schließlich packe ich uns alle ins Bett, Feli heult, Cassie nuckelt am Däumchen, dazwischen ich. Endlich findet auch Feli ihren Daumen, es wird still.

Gegen halb vier sind wir alle wieder wach. Wieder verlangt Cassie nach Milch, oder wenigstens Butterbrot, oder Nudeln - nee, aber die da nicht, oder Suppe - aber nicht die klare Brühe von Mama - Kartoffeln?
Egal, was ich anbringe, sie will es nicht. Meine Laune geht den Bach runter, ich würde ihr ja gerne alles geben, aber es geht halt nicht.
Zuletzt einigen wir uns auf eine Banane - NICHT püriert. Die pürierte Banane darf dafür Felicitas verspachteln, eine Tätigkeit, die ihr große Freude macht. In Gedanken seufze ich - eigentlich sollte sie die letzten Tage schon dreimal Brei am Tag bekommen haben, statt dessen ist es meist auf Fläschchen herausgekommen. Morgen, nehme ich mir fest vor, morgen...

Papa findet uns alle drei vor dem Fernseher auf dem Boden hockend, Feli mit ihrem Spielzeug beschäftigt, ich ein wenig an Cassies Haaren herumschneidend (dieses Haar glänzt durch völliges Fehlen einer Frisur). Küßchen, Brot essen, Bett bringen.
Feli zweite Bananen-Speisung. Ab in den Keller, dort das Bett meines Mannes aus dem Trockner nehmen - das fiel Cassies Milch-Rücklieferung heute zum Opfer.
Wieder hoch, Feli neu wickeln (uuuuh), kleine Babymassage mit Öl. Feli ist immer noch fit, also in den Schlafanzug und an der Tragetasche aufhängen.
Zwischendurch Schlafzimmer lüften, in Felis Bett eine Wärmflasche (sie HASST kalte Betten).
Dann, endlich, sich selbst hinsetzen mit einem Salat. Neben mir hängt Feli, spielt noch ein wenig mit der Klimperrassel, die über ihr aufgehängt ist. Langsam wird es still.
Ich schaue hinüber - man sieht nur ihre Hand, die aus der Tasche ragt und sich in der Rassel verkrallt hat. Keine Bewegung.
Dann, mit einem leisen "Klickerklimper", rutschen ihre Fingerchen ab. Eingeschlafen.

Endlich Ruh.

Gruß,
Buchstabensalat
 
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